„3 Fragen zum Eigentum“ an Anja Hajduk

Anja Hajduk, Stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

  1. Das Grundgesetz schützt das erworbene Eigentum. Bündnis 90/Die Grünen wollen in ihrem neuen Grundsatzprogramm mehr: eine gleichere Verteilung von Eigentum. Eigentum für alle – wie wollen Sie das erreichen?

Ohne Recht auf Eigentum sind eine freiheitliche Gesellschaft und eine sozial­öko­logische Marktwirtschaft nicht vorstellbar. „Eigentum verpflichtet“ jedoch laut Grundgesetz, aus Eigentum erwächst Verantwortung für das soziale Umfeld und den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Für zahlreiche familiengeführte Betriebe, die in ihrer Region verwurzelt sind und schon heute an die nächste Generation denken, ist dies eine selbstverständliche Perspektive. Eine extreme Konzentration von Eigentum in den Händen Weniger schadet jedoch auf Dauer sowohl der Demokratie als auch der Marktwirtschaft. Wir möchten daher auch den Vermögensaufbau verbreitern. Darum wollen wir Menschen unterstützen, die den Mut zur Selbständigkeit finden und Unternehmen gründen. Auch ein starkes und faires Wettbewerbsrecht für den Mittelstand ist hierfür essentiell. Im Vergleich zu anderen Industrieländern ist das Vermögen in Deutschland stark konzentriert. Ein Prozent der Bevölkerung besitzt laut DGB mehr Nettovermögen als 87,6 Prozent der Bevölkerung zusammen, gleichzeitig werden Vermögen sehr gering besteuert. Daher wollen wir sehr hohe Vermögen stärker steuerlich beteiligen, Mitarbeiterbeteiligungen und den Vermögensaufbau von einkommensschwachen Gruppen besser fördern, und den Erwerb von Wohneigentum erleichtern.

  1. Ihre Partei fordert ein „gemeinwohlorientiertes Eigentum“ als Grundlage einer „Gemeinwohlökonomie“. Was genau verbirgt sich hinter diesen Begriffen?

Laut Grundgesetz soll der Gebrauch von Eigentum „zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.” Wir unterstützen diese Idee einer Gemeinwohlökonomie, die den Wert von wirtschaftlicher Aktivität für Mensch und Umwelt stärker in den Fokus rückt. Unternehmen müssen zwar ökonomisch entscheiden, aber dabei auch langfristige Kosten und Risiken einkalkulieren. Die Corona-Krise hat deutlich gezeigt, dass eine rein an kurzfristigen ökonomischen Kriterien ausgerichtete Unternehmenspolitik die Resilienz untergräbt. Viele Unternehmen sind sich auch ihrer Verantwortung für ihr soziales Umfeld und die Erhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlagen sehr bewusst. Eine Gemeinwohlökonomie will Anreize setzen, um verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln zu belohnen. Ein Aspekt ist, in der Unternehmensbilanzierung die Auswirkungen auf Menschenwürde, soziale Gerechtigkeit oder ökologische Nachhaltigkeit sichtbar zu machen. Wir möchten dies fördern, indem in ausgewählten Bundesunternehmen Pilotprojekte zur Erprobung von Gemeinwohl-Bilanzen durchgeführt und ein Informationsangebot für Unternehmen geschaffen wird, die ihr wirtschaftliches Handeln auf diese Weise nachhaltiger ausrichten wollen.

  1. In dem neuen Grundsatzprogramm stechen Vorschläge hervor, nicht nur den gemeinwohlorientieren Gebrauch des Eigentums näher gestalten, sondern Rendite auf Grund und Boden begrenzen und weitergehend Grund in Boden in öffentliches oder gemeinwohlorientiertes Eigentum überführen zu wollen. Auch von Vergesellschaftung und Enteignung ist die Rede. Was haben Sie da vor?

Wir sind für den Erhalt einer vielfältigen Kulturlandschaft und Agrarstruktur, in der auch bäuerliche Betriebe eine Chance haben. Regionale Betriebe übernehmen vor Ort Verantwortung und beleben den ländlichen Raum, Grund und Boden sind dafür unverzichtbar. Aktuell ist aber der Bodenmarkt von drastisch steigenden Kauf- und Pachtpreisen geprägt. Die landwirtschaftliche Fläche in Hand überregional aktiver Investoren steigt stetig an, Land wird zunehmend ein Spekulations- und Anlageobjekt. Wir wollen eine breite Eigentumsstreuung erhalten und den Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen und Betrieben durch außerlandwirtschaftliche Kapitalinvestoren verhindern. Der Staat soll jedoch nicht enteignen, sondern eine gerechte Verteilung fördern, indem beispielsweise ortsansässige Betriebe Vorrang beim Flächenerwerb haben. Wir wollen außerdem die doppelte Erhebung der Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Agrarflächen durch Landgesellschaften und beim Wiederverkauf an bäuerliche Betriebe abschaffen. Um spekulative Share Deals mit Grund und Boden einzudämmen, müssen diese endlich effektiv besteuert werden.

 

„3 Fragen zum Eigentum“ an Anja Hajduk (Artikel als PDF-Datei)