Verbände aus Mittelstand und Familienunternehmern fordern Reform des Stiftungsrechts statt neuer Rechtsform „Verantwortungseigentum“
Eigentum und Haftung gehören zusammen: Soziale Markwirtschaft weiterentwickeln, nicht durch eine neue Rechtsform „GmbH-Verantwortungseigentum“ konterkarieren. Das gemeinsame Verbändeanschreiben der Deutschen Stiftung Eigentum, des Wirtschaftsrats der CDU, des Verbandes DIE FAMILIENUNTERNEHMER, des Bundesverbandes deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften, des Verbandes DIE JUNGEN UNTERNEHMER und der Familienbetriebe Land und Forst an das Bundeswirtschaftsministerium finden Sie hier im Wortlaut zum Nachlesen.
Eigentum und Haftung gehören zusammen – Soziale Markwirtschaft weiterentwickeln, nicht durch eine neue Rechtsform „GmbH-Verantwortungseigentum“ konterkarieren
Identitätsprägend für die Erfolgsgeschichte von 70 Jahren sozialer Marktwirtschaft in Deutschland ist die rechtlich gesicherte Verbindung von Eigentum und Verantwortung. Heute findet eine Überlegung Beifall, die dieses Kernelement der sozialen Markwirtschaft aushebeln will. Der seitens der „Stiftung Verantwortungseigentum“ am 06.10.2020 vorgestellte und im politischen Berlin diskutierte Vorschlag einer „GmbH-Verantwortungseigentum“ (GmbH-VE) kapert den Begriff des Eigentums, verkehrt ihn in das Gegenteil einer Eigentumspreisgabe und bricht mit bewährten Prinzipien.
Wir lehnen die Idee einer GmbH-VE darum ab und fordern eine Rückbesinnung auf das Kernelement der sozialen Marktwirtschaft, nämlich die Verbindung von Eigentum und Verantwortung. Grundsätzlich sichert die Personenbindung von Unternehmenseigentum diesen Konnex. Das gilt auch für die in dem Vorschlag einer GmbH-VE als Zielgruppe ausdrücklich in Bezug genommenen Start-Ups und Familienunternehmen im Generationenübergang. Wo für Start-Ups und Familienunternehmen im Generationenübergang die Personenbindung nicht zu gewährleisten ist, stehen bereits jetzt die gesellschafts-, aufsichts-, steuer- und erbschaftsrechtlich bewährten Instrumente des Stiftungsrechts zur Verfügung. Der Verlust an eigentumsgebundener Verantwortung wird dort durch Aufsicht und Regulierung kompensiert. Soweit Stiftungslösungen für kleinere Unternehmen zu kostspielig sind, sollte die laufende Novellierung des Stiftungsrechts zur Nachbesserung genutzt werden.
Mogelpackung „Verantwortungseigentum“
Schon begrifflich irritiert der Vorschlag. Er spricht Unternehmen allein durch Rechtsformwahl ohne Anforderungen an die sozial-ökologische Ausgestaltung der Wirtschaftstätigkeit und ohne Rücksicht auf den Unternehmensgegenstand eine gesteigerte Verantwortungsgerechtigkeit zu.
Nach Darstellung der Initiatoren soll eine neue Rechtsform der GmbH-VE die soziale Marktwirtschaft in ihrer gegenwärtigen ökonomischen und rechtlichen Ausprägung weiterentwickeln. Dazu schlagen sie vor, eine neue Unternehmensrechtsform der GmbH-VE zu etablieren, die durch zwei Elemente eine verantwortungsvolle und langfristige Unternehmensführung sichern soll:
- Die GmbH-VE gründet in einem vollständigen Asset-Lock. Gesellschaftsanteile lassen sich nur zum eingebrachten Nominalwert veräußern. Den Gesellschaftern sind persönliche Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen nicht möglich. Gewinne müssen vollständig in das Unternehmen reinvestiert werden.
- Die GmbH-VE erlaubt eine Abtretung von Gesellschaftsanteilen nur mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter an „Werteverwandte“, um den Eintritt von Investoren oder die Übernahme durch Wettbewerber zu verhindern.
Tatsächlich werden die von den Initiatoren angegebenen Zwecke der Erschwerung des Aufkaufs von Start-Ups durch Investoren sowie der Erleichterung der Übergabe von Familienunternehmen an die nächste Generation durch eine GmbH-VE nur eingeschränkt erreicht. Die eigentlichen Probleme unzureichender gesetzlicher Rahmenbedingungen für Gründer sowie der seit langem aufgeschobenen notwendigen Nachjustierung des Stiftungsrechts bleiben ungelöst.
Vorschlag einer GmbH-VE hebelt Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft aus, verfehlt die eigene Zielsetzung und schafft Missbrauchsmöglichkeiten
Der vorgeschlagene Entwurf einer GmbH-VE hilft Start-Ups und Unternehmen bei Übergabe an die nächste Generation nur beschränkt weiter. Für Start-Ups entstehen Anschlussprobleme des Zugangs zu Investoren. Und Familienunternehmen mit Nachfolgeproblemen würden durch eine GmbH-VE für Einsteiger noch uninteressanter. Unabhängig von der fehlenden Zielerreichung hebelt der Vorschlag einer GmbH-VE auch Marktmechanismen aus und setzt Anreize zum Rechtsformmissbrauch:
- Das erklärte Ziel einer GmbH-VE, Unternehmensstrukturen dauerhaft zu perpetuieren, widerspricht der Idee eines offenen Marktes. Die vorgeschlagene Einschränkung einer Weitergabe von Gesellschaftsanteilen bei gleichzeitigem Asset-Lock erschwert das Ausscheiden – vor allem neu gegründeter – nicht wettbewerbsfähiger Unternehmen und damit den Marktzugang und die Marktbehauptung möglicher Wettbewerber. Vor allem für Neugründungen ist eine zwanghafte Erhaltung als solche nicht erforderlich. Und etablierten Familienunternehmen stehen bereits jetzt die bekannten Stiftungslösungen offen.
- Der übliche Grundsatz typischer Gesellschaftsrechtsformen, im Wege des eigenwirtschaftlichen Interesses die Verantwortung für die Unternehmensgeschicke auf der Ebene der Gesellschafter anzusiedeln, würde in einer GmbH-VE weitestgehend unterlaufen. Ohne Gewinnmöglichkeit für die Gesellschafter geht nicht nur der für ein lebendiges Marktgeschehen wichtige Anreiz für Risikobereitschaft, Fleiß und Innovation verloren, es entfällt auch das Eigeninteresse der Gesellschafter an einer effektiven Geschäftsführungskontrolle. Damit gerät die gesellschaftsrechtliche Grundanlage einer gesellschafterkontrollierten Geschäftsführung aus der Balance und entstehen faktisch haftungsfreie Räume.
- Abgesehen davon, dass der unbedingte Erhalt eines Unternehmens dem Wettbewerbsgedanken widerspricht, wird der Anspruch einer Verhinderung der „Unternehmensversilberung“ durch das Erfordernis einer Zustimmung der Gesellschafter sowie die Eingrenzung möglicher Käufer auf „Werteverwandte“ auch verfehlt, sobald alle Gesellschafter einem Verkauf zustimmen und eine „Werteverwandschaft“ des Käufers bejahen. Der Zweck einer Unternehmensperpetuierung ließe sich besser durch eine staatliche Aufsicht, wie sie heute bereits im Stiftungsrecht vorhanden und bewährt ist, über Verkäufe von Unternehmen in „Verantwortungseigentum“ mit behördlichem Genehmigungsvorbehalt erreichen. Eine staatliche Aufsicht sieht der Entwurf einer GmbH-VE aber nicht vor.
- Die Freistellung von der für Stiftungen üblichen Erbersatzsteuer privilegiert die GmbH- VE steuerlich und lädt zur Steuervermeidung ein. Und der Asset-Lock, der durch das Verbot persönlicher Entnahmen der Gesellschafter und das Gebot der vollständigen Reinvestition von Gewinnen erreicht werden soll, lässt sich durch missbräuchliche Investitionen (Luxusbüros, Dienstwagen, überteuerte Zulieferungen, etc.) und Gesellschafterdarlehen an die Gesellschaft umgehen. Denn abweichend vom Stiftungsrecht sieht der Entwurf einer GmbH-VE eben keine staatliche Aufsicht vor.
Notwendige Verbesserung des Rechtsrahmens für Gründer und für Familienunternehmen
Das Ziel, Start-Ups vor dem Ausverkauf durch Investoren zu schützen und Familienunternehmen im Generationenwechsel den Unternehmenserhalt bei fehlender Familiennachfolge zu erleichtern, verlangt keine Rechtsform einer GmbH-VE. Benötigt werden Verbesserung der Rahmenbedingungen für Gründer in Deutschland sowie Nachbesserungen im kostspieligen, aber im Übrigen gesellschafts-, aufsichts-, steuer- und erbschaftsrechtlich bewährten Stiftungsrecht. Die laufende Novellierung des Stiftungsrechts ist hierfür der richtige Anlass.
Deutsche Stiftung Eigentum
Wirtschaftsrat der CDU
DIE FAMILIENUNTERNEHMER
Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften
DIE JUNGEN UNTERNEHMER
Familienbetriebe Land und Forst